Böses, böses Internet

Mitte der Woche kam ich eher zufällig an einem der alteingesessenen Stuttgarter Fotogeschäfte vorbei. Oft bleibe ich an deren Schaufenstern kurz stehen und schaue mir die neuesten Objektive oder auch Gebrauchtangebote an, die man dort offeriert. Diesmal waren die Schaufenster weitgehend leer. Stattdessen hing in einem der nebenstehende Aushang. Hirrlinger ist also pleite oder kurz davor.

Dies ist insofern schade, als dass dieser Laden einer der wenigen in der Innenstadt war, die noch in Privatbesitz und nicht Teil einer weitverbreiteten Kette waren. Andererseits verwundert es mich herzlich wenig, dass dieses Geschäft früher oder später schließen musste (gemunkelt wurde darüber schon seit Jahren). In meinen Augen ist der weinerliche Aushang jedoch grundlegend falsch, wenn nicht gar schlicht gelogen.

Der Besitzer macht es sich doch arg einfach, den Niedergang seines Geschäfts dem Internet zuzuschreiben. Ich behaupte: die Probleme waren hausgemacht. Denn Hirrlinger war preislich schon immer schlicht eine Apotheke. Sämtliche anderen Fotofachgeschäfte in der Innenstadt waren deutlich billiger. Grundsätzlich und schon zu Zeiten, als das Internet noch die alleinige Sache pickeliger Studenten war, die sich ab Beginn der Telefon-Abendtarife mit ihrem 14k-Modem ins Netz eingewählt haben und Amazon noch längst nicht erfunden war. Merkwürdiger Weise gibt es etliche der anderen Fotogeschäfte nach wie vor, obgleich das Internet heute zum Massenmedium geworden ist.

Darüber hinaus krankte der Laden noch an anderen Ecken: Das Sortiment kann man -mit guten Willen- als etwas wahllos bezeichnen. Ja, die großen Marken waren vertreten, allerdings auch jede Menge Kruscht, der in einem solchen Geschäft schlicht nichts verloren hat. Bilderrahmen kaufe ich nicht in einem Fotoladen.

Wären wenigstens die Beratung oder der gebotene Service erstklassig gewesen. War sie aber nicht. Meine beiden letzten Besuche (die einige Jahre her sind) endeten damit, dass ich völlig fassungslos über die beinahe absolute Ahnungslosigkeit meines „Beraters“ den Laden verließ – das Beratungsniveau, das man mir bot, entsprach weitgehend dem, das ich auch in einem Saturn oder Mediamarkt erwarten könnte. Oder der Servicegedanke: Wenn man einem potentiellen Kunden, der einen Blitz für rund 400 Euro erwerben möchte, diesen nicht mal zum Testen mit Batterien betriebsfähig machen möchte (bzw. die Batterien berechnen möchte), dann ist Hopfen und Malz verloren.

In meinen Augen hätte man das Konzept dem Internet-Zeitalter ohne weiteres anpassen können: Gnadenloses aussortieren aller Billigprodukte. Weglassen von Kleinstzubehör, Konzentration auf Qualitätsmarken, Spezialisierung auf hochpreisige digitale Spiegelreflex-Fotographie und Studio-Zubehör. Wie es beispielsweise die Calumet-Kette tut, die seit einiger Zeit zwei Steinwürfe entfernt residiert. Diese füllt in Stuttgart nämlich eine Marktlücke, die Hirrlinger locker hätte besetzen könne. Dazu ernsthaft kompetente Beratung und einen unbedingten Servicegedanken. Das bekomme ich im Internet nämlich nicht, bin aber gerne bereit, dafür einen Aufpreis zu bezahlen. Ein hochwertiges Objektiv darf im Laden meiner Meinung nach 100 Euro mehr kosten, als im Internet – sofern dies durch Beratung, Fachkompetenz und Service ausgeglichen wird. Nicht aber 300 oder mehr, wie das teilweise der Fall war.

Somit ist der Niedergang dieses „Fachgeschäfts“ in meinen Augen nicht dem Internet geschuldet, sondern der eigenen Arroganz und Unfähigkeit zur Wandlung oder Anpassung. Läden, die ihre Daseinsberechtigungen allein aus der Dauer ihrer Existenz ableiten, braucht niemand.

Dementsprechend: Liebes Fotohaus Hirrlinger: Badet euch ruhig noch ein Wenig in Selbstmitleid und schiebt die Schuld auf Andere. Ändern wird’s nix. Und ich werde euch definitiv nicht vermissen. In meinen Augen verschwindet ihr völlig zu Recht von der Bildfläche!

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