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Weltmeister – im Rumnörgeln

Ach, was hätte das alles schön sein können. Weltmeister! Deutschland im Autokorso-Freudenrausch. Himmelhochjauchzend, Sommermärchen, schwarz-rot-goldene Euphorie. Jubelnde Menschen allenthalben, freundliche Gesichter, spontane Verbrüderungen in den U-Bahnen, kollektive Übernächtigung. Friede, Freude, Eierkuchen. Schland!

Und dann das: Erdreisten sich ein paar dieser frisch erkorenen Volksvorbilder doch in aller Öffentlichkeit den unterlegenen Gegner zu verhöhnen! Durch diesen widerlichen, ekligen Goucho-Tanz!

Sofort wird bei der sich intellektuell weit vorne sehenden Weltverbessererelite der Getretene-Hunde-Reflex ausgelöst. Wie so oft. Da haben wir die Welt gerade  mühsam davon überzeugt, dass doch nicht alle Einwohner dieses Landes böse Nazis sind und dann das! Ob SPIEGEL oder TAZ (die, soviel Ausgewogenheit muss sein, das Ganze dann wenigstens doch noch irgendwo entspannter sieht), die Journallie und die fleißig kommentierende Leserschaft sind empört! Der schöne WM-Titel – entwertet! Nationale Schande! Dieser Sieg ist nichts mehr wert, unerträglich arrogant sind wir. Mal wieder, war ja klar. Da nimmt es schon fast Wunder, dass nicht auch die EMMA in das kollektive Geheule mit einstimmt, schließlich waren es doch mal wieder ein paar Männer, die uns in der Weltöffentlichkeit blamiert haben.

Oh wie ist das schön

Nun ist sie also wieder da, die WM-Euphorie. Geht man nach den Reaktionen auf das gestrige Spiel gegen Portugal, sind „wir“ ja quasi schon Weltmeister. Mindestens. Ich gebe ja gern zu, dass mein Mitleid mit den Portugiesen sich gestern einigermaßen in Grenzen gehalten hat, als sie von der Deutschen Mannschaft mehr oder minder überrollt wurde – ob nun durch (empfundene) Fehlentscheidungen übervorteilt oder nicht.

Nun habe ich an sich nix gegen die Portugiesen (und würde mich schadenfroher Äußerungen enthalten), aber ich kann den Portugiesen nicht leiden. CR7 himself, den personalisierten Großkotz der Fußballwelt. Ja, der kann brillant Fußball spielen. Was er leider nicht kann ist Bescheidenheit, die ihm aber hin und wieder mal ganz gut zu Gesicht stünde. Und darum war es mir auch eine Freude, ihn immer verzweifelter werden zu sehen. Meine Lieblingsszene des gesamten Spiels fand in der 86. Minute statt. Der Liveticker der sz hat es ganz wunderbar auf den Punkt gebracht:

86. Minute: Jetzt sind die Portugiesen völlig am Ende. Cowboy Ronaldo tritt zum Freistoß an, die Deutschen entgegen der Gefahr mit einer imposanten Ein-Mann-Mauer, bestehend aus: Fähnchen Fieselschweif Philipp Lahm. Und was macht Ronaldo? Er drischt die Kugel Lahm exakt vor die Füße.

Und da das Internet bei solcherlei Dingen ja ungemein gnadenlos ist, gab’s diese Szene natürlich sofort als passenden Videoschnipsel. Den könnte ich mir immer wieder ansehen :-)

Andererseits: Den einmetersiebzig kleinen Lahm aus über neun Metern Entfernung zu treffen muss man ja auch erstmal schaffen. Ganz große Ballkunst, Herr Ronaldo :-)

PS: Leider wurde der ursprünglich hier eingebundene Spielausschnitt inzwischen aus vine entfernt. Aber bei Youtube gibt es den entsprechenden Ausschnitt auch, nur nicht als Endlosschleife: https://www.youtube.com/watch?v=1DMjn91oduE