Feierbiester

Vergangenen Samstag haben sich „die Bayern“ ja bekannter Maßen den dritten Titel in der laufenden Fußballsaison geholt. Das Pokalendspiel – in Stuttgart mit Freunden in einer urschwäbischen Kneipe genossen – versetzte mich in eine gewisse Luxussituation. Meine alte Heimat gegen die neue – da konnte ich nur gewinnen. Egal wer das Spiel gewinnen würde, ich könnte mich drüber freuen. Wobei ich keinen Hehl daraus mache, dass ich den Bayern einen Sieg mehr gönne als dem VfB – denn erstens haben Erstere nunmal die erheblich überzeugende Saison hinter sich als die Schwabenkicker und zweitens spekulierte ich einfach auf eine bessere Feier. Wenn ich doch schon in München lebe, dann würde ich schon gern erleben, wie man dort den Gewinn des historischen Triples feiern würde. Und schlussendlich hätte ein Pokalsieg der Stuttgarter sowieso nur dazu herhalten müssen, eine (zu Recht) weitgehend in der Bedeutungslosigkeit verbrachte Saison und die Missverhältnisse im Verein schönzureden. Nee, lasst mal Jungs.

Der FCB hat in München einen Stellenwert, den man nicht mit dem des VfB in Stuttgart vergleichen kann – Bayern ist in München omnipräsent. Überall. Immer. An jeder zweiten Straßenecke, in den Medien sowieso, selbst auf Joghurtdeckeln. Die partielle Großspurigkeit, mit der sich der Bayer an sich über den Rest der Republik erhebt, lässt sich auch auf seine Sicht über „die Roten“ anwenden. Die Quintessenz diverser aufgeschnappter Gespräche lautet inetwa: Natürlich ist das der beste Verein der Welt. Völlig selbstverständlich habe man alle Titel gewonnen, so und nicht anders müsse das auch sein. Die Weltordnung ist hergestellt, wir sind mal wieder die Größten. Da mögen die paar verbliebenen doofen 1860-Fans anderer Meinung sein, aber wer sind die denn schon? Und auch den merkwürdigen Typen aus Dortmund hat man jetzt endlich mal wieder bewiesen wo der Barthel den Most holt. Jawoll!

Natürlich hätte man sich in Stuttgart sicher sehr gefreut, hätte man quasi „aus Versehen“ und eher zufällig den Pokal gewonnen, aber es wäre (so vermute ich) nicht mit München vergleichbar gewesen. Denn das, was am Sonntag passierte, als die Mannschaft die Titel öffentlich präsentierte, war in der Tat ein beeindruckendes Lehrstück über Ausgelassenheit und Heldenverehrung (gut, den Dortmundern hätte ich eine ähnlich ausufernde Feierei zugetraut, aber die haben nunmal das Champions League Finale verloren, so sieht’s aus, sorry). Aber es geht an dieser Stelle ja eigentlich gar nicht darum, welche Fußballmannschaft denn nun die Beste ist…

Die Randbedingungen waren leider mehr als nur eklig – es schüttete. Heftig. Ununterbrochen. Es war kalt. Es war windig. Ich hatte kurz überlegt, ob ich mir die Busfahrt der Spieler durch das Fan-Spalier von der Münchner Freiheit zum Marienplatz ansehen soll, mich dann aber dafür entschieden, einfach gleich auf dem Marienplatz zu bleiben. Berücksichtigt man das Wetter, war dennoch mehr als nur reichlich was los. Rot-weiße Schals überall, lediglich die Fahnen wurden zumeist durch Regenschirme ersetzt. Und (hey, wir reden vom Freistaat Bayern, Recht, Ordnung und Sicherheit haben immer vorzugehen, auch wenn es aus Kübeln schüttet und jeder gewaltbereite Fan sich lieber daheim verkriecht als irgendwo Ärger machen zu wollen) natürlich ein Polizeiaufgebot, mit dem man auch locker zwei Sicherheitskonferenzen gleichzeitig hätte beschützen können, über die ich mich seinerzeit so aufgeregt habe. Alles weiträumig abgesperrt, Taschenkontrollen an den Eingängen. Nuja, irgendwie muss das ganze Sicherheitspersonal je beschäftigt werden.

Summa summarum waren aber offensichtlich weniger Menschen unterwegs, als man erwartet hatte – zumindest ging es auf dem Marienplatz selber noch einigermaßen übersichtlich zu. Man stand zwar dicht beieinander, aber richtig eng war es sicher nicht. Bei strahlendem Sonnenschein wäre da sicher erheblich mehr los gewesen.

Aber dennoch: Die Stimmung war beeindruckend. Fangesänge, Regenschirmschwenken, Jubel, Trubel, Heiterkeit. Und dann, leicht verspätet, kamen sie endlich. Die Helden. Dem Anschein nach unter nicht zu unterschätzendem Alkoholeinfluss (ich hatte ja schon während des Spiels am Vortag den Eindruck, als hätten einige von denen noch einen deutlich messbaren Alkoholpegel von der Feier des Champions League Gewinns im Blut). Jeder Spieler wurde natürlich einzeln und frenetisch begrüßt. Die Lieblinge waren dennoch recht eindeutig auszumachen – die Herren Ribery, Lahm und Schweinsteiger. Richtig turbulent wurde es aber, als der Messias den Balkon betrat. Der Herr, dem man vermutlich ein Denkmal setzen wird – nicht wenige würden vermutlich befürworten, die Figur auf der Mariensäule gegen einen vergoldetes Abbild seiner zu ersetzen.

Juppjuppjuppjuppjupp. Vieltausendfach. Als wolle man ihn durch Lautstärke vom Ruhestand zurückhalten. Keine Frage, er überragte alle. Klarer Fall, von Jupp Heynckes wird man noch in vielen Jahren sprechen, nein, schwärmen. Er sollte erwägen, bei der Wahl zum Oberbürgermeister anzutreten. Und wenn ich gerade beim Oberbürgermeister bin: Natürlich musste Herr Ude in seiner Funktion ein paar mehr oder weniger warme Worte sprechen und allen Beteiligten einen Eintrag ins goldene buch der Stadt versprechen. Größeren Spaß hat es ihm aber offensichtlich nicht bereitet – er ist Anhänger der Sechziger…

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