Die Sache mit der Ice Bucket Challenge

Es dürfte ziemlich schwer sein, in den vergangenen Tagen nichts von der ALS Ice Bucket Challenge gehört zu haben, nachdem ja so ziemlich jedes denkbare Medium voll mit entsprechenden Meldungen ist und sich empfunden ungefähr die Hälfte der Menschheit schon daran beteiligt hat. Auch an mir ging sie nicht vorbei, auch wenn ich nicht zu denen gehöre, die sich einen Eimer (Eis-)Wasser über den Kopf gekippt haben. Werde ich auch nicht. 

Aber ich durfte gestern immerhin sozusagen als Executive Producer ein entsprechendes Video basteln, nachdem Sveni von einer Kollegin zur Teilnahme nominiert wurde und sich in den Kopf gesetzt hat, dieser Herausforderung innerhalb der normalerweise angesetzten 24 Stunden nachzukommen. Und, um das gleich vorweg zu nehmen: auch gespendet hat, was häufig offenbar leider untergeht.

Das Ganze war eine ziemlich lustige Aktion und ich kam erstmalig zu dem Vergnügen, am neuen MacBook mit FinalCut ein Video zu schnibbeln (um dabei zu lernen, dass das im Grunde wunderbar funktioniert, aber auf einem 15″ Display nur begrenzt Spaß macht). Das entsprechende Ergebnis könnt ihr unten im Artikel sehen.

Um dieses geht es hier allerdings weniger, sondern eher um ein paar Gedanken, die mir bezüglich dieser Challenge durch den Kopf gehen. Ich stimme nämlich nicht in den Chor derer ein, die diese ganze Aktion ganz wunderbar, toll und super finden.

Vorweg: natürlich finde ich es gut, wenn Menschen sich für etwas engagieren oder für irgendwelche sicherlich guten Dinge Geld spenden. Den Pressemitteilungen der ALS Association zufolge hat diese Sache bis dato mehr als 62 Millionen Dollar an Spendengeldern eingebracht. Sie werden diese vermutlich sinnvoll einsetzen.

So ganz ohne faden Beigeschmack mag ich diese Angelegenheit dennoch nicht wahrnehmen. Denn zum Einen habe ich den Eindruck, als würden ziemlich viele Menschen gar nicht erst begreifen, um was es hier eigentlich geht. Zappt man sich mal recht wahllos durch die vielen Challenge-Videos, die man bei Youtube findet (mangels Facebook-Account meine primäre Anlaufstelle), stellt man fest, dass ALS in denen quasi nicht vorkommt. Kein Hinweis auf die Krankheit, kein Aufruf zum Spenden, keine Einordnung in einen Kontext. Dadurch verkommt die Sache in meinen Augen zu einem belanglosen viralen Phänomen, bei dem vornehmlich darum zu gehen scheint, sich nass zu machen. Weil es die anderen auch tun. Weil man damit Aufmerksamkeit bekommt, ob nun auf den Freundeskreis beschränkt oder gar in den Medien. Letzteres dürfte für eine größere Menge prominenter Menschen ein nicht unerheblicher Faktor für die Teilnahme sein.

Zum Anderen hege ich ganz erhebliche Zweifel daran, dass die Mehrheit der Teilnehmer die „Regeln“ der Aktion auch nur im Ansatz zur Kenntnis genommen oder gar verstanden hat. Die besagt nämlich: Du spendest, sofern du herausgefordert wirst! In jedem Fall! 10 Dollar (oder mehr), wenn du dir den Wassereimer über den Kopf schüttest und 100 (oder mehr), wenn du es nicht tust. Darüber hinaus machst du das Ganze bitte mit Eiswasser, dadurch soll (wenigstens kurzfristig) der Lähmungszustand simuliert werden, unter dem ALS-Patienten leiden.

Diese Regeln sollten nun eigentlich Konsequenzen auf die Durchführung der Challenge haben: Erstens die, dass ich selbst nur Menschen zur Teilnahme herausfordere, die (sich) dies leisten können beziehungsweise bei denen ich davon ausgehe, dass sie eben ihren Geldbeutel öffnen. Zweitens, dass ich selbst dies tue, also das mit dem Spenden. Drittens, dass ich in meinen Videos oder zugehörigen Postings darauf hinweise, worum es bei dieser Aktion geht. Denn „vor Freunden nicht als Weichei dastehen“ ist nicht die Grundidee dahinter. Scheinen nur die Wenigsten mitbekommen zu haben.

Gehen wir nun mal davon aus, dass sich einige dem Wasser verweigern und dafür größere Geldbeträge spenden (wie beispielsweise einer meiner Favoriten – Patrick Steward, der hat Stil!), und unterstellen wir weiter, dass viele Prominente trotz Dusche mehr als die 10 Dollar gespendet haben, dann sollte man sich recht leicht ausrechnen können, dass der Großteil dieser „Boah ey, ich bin geil, ich hab bei dieser Ice Bucket Challenge mitgemacht“-Hanseln genau das eben nicht getan haben. Sonst müsste der Spendenstand bei der ALSA nämlich weit höher liegen.

Und spätestens jetzt wird aus dieser an sich begrüßenswerten Sache schlicht ein komplett belangloses Spiel, das auf dem Schneeballeffekt basiert. Blanke Effekthascherei. Und das war sicherlich nicht die Intention hinter dem Ganzen.

Nun könnte man argumentieren, dass das doch letztlich keine Rolle spielt. Die ALSA (die das Ganze übrigens nicht initiiert hat) konnte ihr Spendenaufkommen erheblich erhöhen, damit ist das Ziel doch erreicht. Nein! Ist es eben nicht. Spendengelder zur Forschung sind das Eine. Die Krankheit selbst im Bewusstsein der Menschen zu verankern ist etwas Anderes. Meinem Empfinden nach möchte diese dies aber gar nicht – die möchte Brot und Spiele. Und Facebook und Youtube. Und cool sein. Und Spaß haben.

Ich möchte wetten, dass das Phänomen in, sagen wir, zwei oder drei Monaten keinen Menschen mehr interessiert, dass ALS wieder in der Versenkung verschwunden ist, dass das Spendenaufkommen wieder drastisch fällt. Und dann war die ganze Aktion in meinen Augen ziemlich sinnlos. Denn machen wir uns nix vor: die Millionen, die da zusammenkommen dürften weder sonderlich lange reichen, noch dürfte mit ihrer Hilfe ein Durchbruch in der Forschung oder gar eine Heilungsaussicht für Betroffene herausspringen. Sie sind nützlich und ein Anfang. Mehr nicht. Hier eine Nachhaltigkeit hinzubekommen stellt in meinen Augen die weit größere Herausforderung dar.

Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum ich bei der ganzen Angelegenheit nicht mitmachen, mich nicht engagieren werde. Weil ich es nicht dauerhaft täte. Weil meine eigenen Prioritäten hier etwas anders liegen. Ich halte die Unterstützung von Organisationen, die sich der Forschung an und Bekämpfung von Morbus Bechterew verschrieben haben für wichtiger. Haltet das ruhig für egoistisch – damit komme ich klar…

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