Großes Kino

Dass ich dem Tollwood Festival nicht allzuviel abgewinnen kann, habe ich ja vor einiger Zeit bereits erwähnt. Vielleicht verstehe ich ja auch einfach das Konzept der Veranstaltung nicht, aber wie man unverhohlenen und ausgeprägten Kommerz mit dem über Allem schwebenden Drang zur Weltverbesserung konfliktfrei kombinieren kann, erschließt sich mir auch nach mehrmaligem drüber sinnieren nicht. Und dennoch schlendere ich jedes Jahr wieder über das Festivalgelände, und sei es auch nur, um meine ausgeprägten Vorurteile zu bestätigen. Hat auch in diesem Jahr einwandfrei geklappt – ich habe schon lange keine so große Ansammlung Restalternativer (yeah, Öko-Style, Henna, Batiklook, Räucherstäbchen!) gesehen, die ohne mit der Wimper zu zucken massiv übertreuerte Caipis konsumieren. Aber vermutlich waren die Limetten und der Zucker in selbigen total öko, was die quasi unverschämten Preise bestimmt rechtfertigt. Mindestens.

Aber eigentlich wollte ich gar nicht lästern. Denn das Tollwood hat (zumindest in der Sommerausgabe) auch eine sehr positive Seite: das begleitende Konzertprogramm. In diesem Jahr unter Anderem mit Max Herre, Natalie Cole, Morcheeba, Milow, Bonobo, Gentleman, Zaz, Jamie Cullum – da passten schon einige in mein musikalisches Beuteschema. Besucht habe ich schlussendlich dennoch nur eines der (übrigens preislich relativ attraktiven) Konzerte, das von Parov Stelar. Ein Österreicher, dem man die Entwicklung eines quasi eigenständigen Musikstils zuschreibt – dem Elektro-Swing.

Auf diesen bin ich Anfang vergangenen Jahres durch einen Beitrag im (leider zu eher gruseligen Sendezeiten ausgestrahlten) Kulturmagazin Tracks auf Arte aufmerksam geworden und habe mich ein Bisschen in diesen Verliebt. Die Mischung aus Elektronischen Beats, Swing- und Jazzelementen hat was. Dementsprechend habe ich nicht lange gefackelt, als sein Name auf der Programmliste auftauchte und mir ein Ticket zugelegt. Eine höchst lohnenswerte Investition, wie sich schnell herausstellen sollte.

Denn (um das Ergebnis des Abends vorweg zu nehmen) ich hatte schon sehr viele Jahre lang nicht mehr derartig viel Spaß auf einem Konzert. Und das, obwohl die Vorzeichen eher ungünstig waren: Ein Sommertag in München. Das Konzert in einem schwarz abgehängten Zelt. Innentemperatur mindestens 30 Grad. 5000 Zuhörer. Naja, es werden etwas weniger gewesen sein, denn etliche wurden mit kollabiertem Kreislauf von den Sanitätern schon vor Konzertbeginn wieder herausbefördert.

Das Publikum: eine lustige Mischung zwischen geschätzt 16 („Yeah! Party!“) und 50 („Yes! Ausflippen ohne Fremdschämen!“). Die Band: Herr Füreder zwischen seinen beiden Macbooks (der Trend geht also eindeutig zum Zweit-Macbook, das muss ich mir merken ;-) und diverser sonstiger Technik, dazu ein Schlagzeuger, ein Gitarrist und Bassist in Personalunion, zwei Bläser und eine Sängerin. Ich war sehr gespannt, wie sich diese Musik, vermutlich weitgehend am Rechner und mit Hilfe diverser Sampler entstanden, wohl auf eine beinahe komplette Bandbesetzung übertragen lassen und wie das Zusammenspiel zwischen den eher unflexiblen Tonspuren oder -fragmenten aus dem Rechner und den restlichen Musikern wohl klappen würde.

Ziemlich perfekt, um es kurz zu machen. Das Fehlen eines zweiten Menschen für die Saiteninstrumente machte schnell klar, dass je nach Stücke entweder die Thematik „Bass“ oder eben „Gitarre“ zu hundert Prozent den digitalen Helfern zuzuschreiben war – beim ganzen Rest konnte zumindest ich nicht sagen, was davon nun live war und was aus der Konserve kam. Schlussendlich spielte das auch keine sonderlich große Rolle – denn das, was die Musiker auf der Bühne ablieferten, würde ich schlicht als grandios bezeichnen. Vor allem die beiden Bläser waren extrem gut. Geboten wurden rund 100 Minuten Vollgas-Musik ohne Verschnaufpause (und das, obwohl man eigentlich auch einige sehr gechillte Stücke im Programm hat, die zum Durchatmen hin und wieder recht wünschenswert gewesen wären) . Und das klingt dann etwa so:

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Man mag mit dieser Art von Musik etwas anfangen können oder auch nicht – was man definitiv nicht kann, ist schlechte Laune behalten, wenn man in ein solches Konzert gerät. Sowas will natürlich auch keiner, aber selbst weitgehende rumhüpf-Verweigerer wie ich lassen sich dann doch sehr schnell vom Rhythmus anstecken. Und wie. Eigentlich war das ganze Konzert ein einziges Hüpfen und Tanzen. Was bei den herrschenden Temperaturen sehr schnell zu einer extrem schweißtreibenden Angelegenheit wurde. Die tagsüber ausgelassene Sporteinheit habe ich während des Konzertes locker nachgeholt und erwäge für weitere Besuche solcher Konzerte das Tragen von Funktionsshirts. Denn mein T-Shirt war nach Ende der Veranstaltung nur noch bedingt zu gebrauchen. Hätte ich behauptet, just gerade in den Olympiasee gehüpft zu sein – es wäre glaubwürdig gewesen. Aber damit stand ich nicht allein da. Das halbe Publikum und sämtliche Musiker sahen dann doch etwas gezeichnet aus. Allerdings auch sehr zufrieden.

Fassen wir zusammen: Klasse Musik, eine sehr spielfreudige und gut aufgelegte Band, ein ausgelassenes Publikum, ziemlich guter Klang – und das alles für 36 Euro. Da kann man nicht jammern. Ganz und gar nicht. Ganz im Gegenteil: der nächste Besuch eines Konzertes dieser Kombo ist fest eingeplant. Fehlt nur noch ein entsprechender Termin hier in München…

Zum Abschluss noch ein paar Eindrücke vom Konzert und ein Konzertvideo (dieses stammt allerdings nicht von mir und auch nicht aus München. Macht aber nix, das dort gezeigte kommt inetwa hin :-). 

 

 

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