Erfreulich viele Münchner folgten vergangenen Montag dem Aufruf eines sehr breiten Bündnisses aus Politik, Kirchen und diversen sonstigen Organisationen unter Federführung des Belevue di Monaco, um gegen den angekündigten „Spaziergang“ der Bagida zu demonstrieren. Dem bayrischen Ableger der Pegida, der, wie sich im Nachhinein herausstellte, reichlich stramm rechtsgerichtete „Berühmtheiten“ der lokalen Nazi-Szene anzieht. Anders kann man es wohl kaum bezeichnen, wenn unter Anderem der derzeit im Rahmen des NSU-Prozesses in München vor Gericht stehende André E. in ihren Reihen gesichtet wird. Aber nein, natürlich haben weder Bagida noch Mügida irgendwas mit den Rechten zu tun. Sicher nicht. Alles eine Erfindung der Lügenpresse, klarer Fall.
Lediglich eine gewisse „konservative“ Partei hat sich dem Aufruf nicht angeschlossen (sofern wir die offiziell rechten Parteien mal außen vor lassen). Hätte mich aber auch schwer gewundert, wenn die CSU durch ein klares Bekenntnis zu diesen Gegenveranstaltungen ihre Wähler am Rechten Rand vor den Kopf gestoßen hätte. Fände ich dies nicht so abgrundtief peinlich, könnte man den Eiertanz, den diese Herrschaften derzeit aufführen, beinahe schon amüsant finden. Man möchte bloß nicht den Eindruck erwecken, als würde man die Pegida-Veranstaltungen gut heißen – aber man muss ja schon auf die Stimme des Volkes hören und Pegida nicht ignorieren, geschweige denn Verurteilen. So irgendwie. Und das, wo selbst unsere sonst doch jedes Konfliktpotential gern generell umschiffende Kanzlerin hier deutliche Worte fand. Lediglich die CSU Ortsgruppe München ließ sich zu einem Statement hinreißen, innerhalb dessen man sich von Bagida und Pegida distanziert. Aber selbiges musste man auf der CSU-Homepage schon ganz gezielt suchen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
18- bis 20.000 Münchner (je nach Quelle) kamen zur Kundgebung für ein weltoffenes und tolerantes München am Sendlinger Tor, direkt neben dem Sammelplatz für die Bagida-Demo. Vermutlich wären es noch weit mehr gewesen, hätte die Veranstaltung zu einer etwas arbeitnehmerfreundlicheren Zeit begonnen. Der Bürgermeister selbst ließ es sich nicht nehmen, im Rahmen der Kundegebung die Eröffnungsrede zu halten, was ihm prompt eine Klage auf Unterlassung eingebracht hat. Von der Organisatorin der Bagida-Veranstaltungen. Der OB habe neutral zu sein. Eine Meinung, die die entsprechende Gerichtsbarkeit hoffentlich nicht teilt.Der Inhalt der Veranstaltung ist schnell zusammengefasst. Diverse, meist prominente, Redner plädieren für eine tolerante und offene Gesellschaft, reden gegen Terrorangst, Aktionismus und Fremdenfeindlichkeit an. Allein: davon mussten sie ihr Publikum eher nicht erst überzeugen.
Aber ich betrachte das offizielle Programm sowieso eher als „Rahmenfolklore“ – so korrekt und wichtig die gesprochenen Worte auch gewesen sein mögen. Schlussendlich sollte der Bagida-Zug unmittelbar nach dem offiziellen Ende der „München ist bunt“-Veranstaltung beginnen. Und eigentlich ging es eher darum, diesen -wenn möglich- zu verhindern oder wenigstens zu erschweren. Weshalb nach dem Ende der Kundgebung auch kaum Teilnehmer nach Hause gingen. Statt dessen begleitete man den Lauf vom Sendlinger Tor zum Stachus. Innen, auf der abgesperrten und diesmal von der Polizei freigehaltenen Route, rund 1500 Bagida-Anhänger, drum herum die Gegendemonstranten. Laut. Bunt. Wie geplant. Leider partiell auch ein wenig aggressiv, es kam zu sechs Festnahmen. Schade, dass es nicht ganz friedlich blieb.
Wobei mir die über 800 Polizisten leid taten, die den Bagida-Zug absichern mussten. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass die -im besten Fall alle- anwesenden Beamten etwas schützen mussten, was auch ihren eigentlichen politischen Einstellungen widerspricht. Mein Drang, mit denen zu tauschen, hält sich arg in Grenzen.
Nun halte ich es schon für schlimm genug, dass immerhin 1500 Personen dem Aufruf von Bagida folgten – muss denen dennoch partiell beinahe schon so etwas wie Respekt zollen, dass sie sich trotz der Masse an Gegendemonstranten auf die Straße trauten. Dennoch beruhigt es mich ungemein, dass sich eine erheblich größere Zahl an Menschen mobilisieren lässt, um gegen solche Tendenzen aufzustehen. Deutlich zu machen, dass „wir“ eben keinen Rechtsruck vollziehen. Keine diffuse Angst vor einer angeblichen Islamisierung haben. Dass unser Verständnis von tolerantem gesellschaftlichen Zusammenleben noch funktioniert. Bei den Meisten zumindest. Es beruhigt mich, dass viele Menschen (mich selbst eingeschlossen) derzeit aus der oft vorherrschenden Lethargie ausbrechen und offen für ihre Meinung einstehen. Sich wieder politisieren, eine klare Position beziehen. Und hoffentlich damit fortfahren, wenn die nächsten Begida und Mügida Veranstaltungen anstehen.
Ich hab’s mir fest vorgenommen, auch wenn ich bei der kommenden Veranstaltung am 19.01. nicht dabei sein kann – ich weile am Montag leider nicht in München. Solltet ihr es tun: geht hin und „tanzt den Pegida„!