Stuttgart

Die Grenzen des guten Geschmacks

Da spaziere ich dieser Tage nichts ahnend durch die Stadt und erblicke wie aus dem Nichts den hier abgebildeten Werbeaufsteller. Ich stutze, lese zweimal, schüttle den Kopf und mache ein Foto. Kurz hatte ich erwogen, einfach in den Laden zu gehen, und mir zwei „Boppel“ Eis zu gönnen – „Eine Kugel Gurke-Dill und eine Schwarzbrot, bitte“.

Also diese Starköche haben doch definitiv einen an (oder definitiv das Falsche in) der Waffel. Was kommt denn bitte als Nächstes? „Schinken-Grünkohl“? „Zwiebelmett-Thymian“? Vielleicht sollte ich diese Sorten mal anregen – immerhin habe ich den Herrn Schuhbeck hier in München schonmal erspäht, als er zwischen den Gästen seiner Lokalität umherschweifte und sich in seinem Ruhm sonnte. Vielleicht ist er ja für neue Vorschläge offen…

Tag der guten Straßenmusik

Manchmal passieren erfreuliche Dinge… Samstag, wunderschönstes Wetter. Ich beschließe, in die Innenstadt zu fahren, um mir einen Kaffee zu gönnen und ein Bisschen zu verweilen, die Sonne genießen. Unweit des Schlossplatzes eine Menschentraube und wohlbekannte Klänge. Die Jazz-Version von „Sunny“ liegt in der vorfrühlingshaften Luft. Ich bleibe stehen, stutze, schaue und lächle:

Da sind sie mal wieder. „Honest Talk“, eine Jazz-Kombo, die ich letztes Jahr vor den Jazztagen in Stuttgart erstmalig gehört habe (und von denen eich so angetan war, dass ich zum ersten mal überhaupt direkt eine CD erworben habe – eine sehr empfehlenswerte, übrigens). Die fünf Jungs sind normalerweise in München anzutreffen, wo sie sich im Rahmen des Studiums kennengelernt haben. Dort stehen sie samt großem Instrumentarium an Wochenenden bevorzugt am Odeonsplatz, wo ich ihnen in den letzten Wochen drei mal über den Weg gelaufen bin (und jedes mal eine Weile innehalte).

Wohnung Nummer zwei

Jetzt bin ich also offiziell einer von jenen Menschen, die zwei Wohnsitze haben. Denn ab dem ersten April ist die Zweitwohnung in Degerloch „meine“. Tobi hat sie an mich weitergegeben, nachdem er festgestellt hat, dass sie sich für ihn nicht so wirklich lohnt und damit die Investition in eine zweite monatliche Mietzahlung höchst zweifelhaft sei. In seinem Fall ist das sogar nachzuvollziehen, er ist beruflich nicht sonderlich häufig in Stuttgart, was aber auf meine Wenigkeit eben nicht zutrifft. Von daher war ich wenig angetan davon, dass er sie aufgeben wollte, denn allein kann ich sie nicht finanzieren und außerdem habe ich ja dann doch ein paar Euro und eine Menge Zeit investiert, um sie einigermaßen herzurichten.

Die Lösung war aber einfacher als gedacht und trägt einen wohl bekannten Namen: „Navid“. Da selbiger bis dato in einer nicht so prickelnden Behausung im Stuttgarter Osten wohnt, lag es nahe, ihn zu fragen, ob wir nicht gemeinsam in „alten Zeiten“ schwelgen wollen und auf unsere alten Tage nochmal eine WG gründen, auch wenn die Anwesenheiten dort sehr ungleich verteilt sein werden. Schließlich haben wir schon rund zehn Jahre in der WG im Paul-Bäumer-Weg miteinander verbracht. Wie kaum anders zu erwarten, war er der Idee sehr zugetan.

Haarige Sache

Kinners, wir werden alt. Allesamt. Und ich besonders. Das ist mir dieser Tage mal wieder deutlich geworden, als ich eine Einladung zur ist-das-wirklich-schon-zwanzig-Jahre-her-Feier meines Aib-Jahrgangs bekommen habe. Garniert mit einem Foto unseres damaligen Abschlussjahrgangs. Wie kommentierte ein Freund doch so nett:

„Das Foto sollte nicht im Internet auftauchen. Andererseits erkennt uns eh keiner, der uns heute kennt, mehr darauf.

Da hat er wohl Recht. Eine kurze Stichprobe unter zwei Kollegen ergab: 50% erkennen mich. Person zwei hat mich auch nach mehreren Minuten nicht ausfindig machen können und zeigte sich beinahe schon schockiert, als ich das Rätsel aufgelöst habe. Jaja, wir sahen alle schon etwas anders aus, damals.

Wo ist eigentlich „Heimat“?

Seit knapp über drei Monaten habe ich jetzt meine Wohnung in München. Wie oft ich dort auch übernachtet habe, steht auf einem ganz anderen Blatt. Fakt ist, dass ich mich seit geraumer Zeit eigentlich zwischen drei Polen hin und her bewege. Da wären München, natürlich Stuttgart und dann noch die diversen Städte bzw. Hotels, in die es mich mit schöner Regelmäßigkeit verschlägt, wenn ich Seminare halte oder andere Termine bei Kunden habe. Ich verzichte an dieser Stelle mal darauf, eine genaue Zählung „wieviele Nächte an welchem Ort“ durchzuführen, aber bei einem bin ich mir ziemlich sicher: München ist definitiv noch nicht mein Lebensmittelpunkt.

Modernes Theater

Diese Woche kam ich sopntan zu einem Theaterbesuch. Dem ersten seit vielen (wirklich vielen) Jahren. Meine Mutter hatte eine Karte übrig und der Titel des Stückes klang verlockend:

Ratgeber für den intelligenten Homosexuellen zu Kapitalismus und Sozialismus mit Schlüsseln zu heiligen Schrift

Klingt lustiger und spannender, als es schlussendlich war. Nein, eigentlich war es partiell sogar etwas anstrengend. Nicht, dass das Stück nicht die eine oder andere humorige Note gehabt hätte. Aber die tiefere Aussage des Stückes erschloss sich  nicht gerade auf den ersten Blick. Und den zweiten auch nicht unbedingt.

Die zweite Bleibe

Gemessen an der Anzahl an Übernachtungen, die ich dort verbringe, habe ich bisher ganz schön wenig über meine „Zweitwohnung“ in Degerloch geschrieben. Ich glaube, bisher habe ich lediglich erwähnt, dass es sie gibt. Das ist durchaus erklärlich, denn anfangs war sie primär eine Baustelle, seit einiger Zeit weist sie aber einen Zustand auf, den man herzeigen kann.

Sie war bis Mitte des Jahres die Wohnung von Tobi, der ja mit mir nach München übersiedelt ist und um Heimweh vorzubeugen und damit wir bei Terminen in Stuttgart nicht im Hotel übernachten müssen, haben wir beschlossen, sie zu einer WG umfunktionieren, auch wenn „Gemeinschaft“ reichlich übertrieben ist. Denn gemeinsam sind wir beide eher selten in Stuttgart.

Wo Stuttgart von München lernen kann

Ich empfinde städtische Fußgängerzonen in der Vorweihnachtszeit bekannter Maßen als Vorhof zur Hölle. Nicht nur, dass das Gros der Menschen ihre Weihnachtsgeschenke offensichtlich noch immer nicht online kauft, sondern einen masochistischen Spaß daran zu haben scheint, sich an Samstagen durch die Innenstädte zu schieben. Nein, auch die Anzahl offensichtlich talentbefreiter Straßenmusiker nimmt empfunden mit jedem Tag zu. Lassen wir die mit Eröffnung der Weihnachtsmärkte aus allen Winkeln hervorkriechenden geigenden und blockflötenden Kinder mal außen vor (deren Auftritte empfinde ich eher als mutig denn peinlich), bleiben genug Beispiele über, deren Präsenz zumindest bei mir das Gegenteil dessen bewirkt, was man sich von Straßenmusikern eigentlich erhofft: in mir melden sich schlagartig Fluchtreflexe.

Diejenigen unter euch, die hin und wieder in Stuttgart auf der Königstraße entlangflanieren, haben mit Sicherheit bereits Bekanntschaft mit meinem Feindbild Nummer eins gemacht, einer Combo, deren musikalische Ergüsse in meinen Augen in der Lage sind, sofortige Hirn- (oder wenigstens Ohr-) Blutungen hervorzurufen.

Nein, ich habe das Blog nicht eingestellt

…auch wenn man in den vergangenen Monaten den Eindruck gehabt haben könnte.

Hintergrund des langen Schweigens ist keine Schreibblockade, sondern schlicht und ergreifend ein Zeit- kombiniert mit einem klitzekleinen Motivationsproblem. Ich war einfach zwischen Oktober und Anfang Dezember zu viel unterwegs, an zu vielen Orten, in zu vielen Zügen, als dass ich die Muße gehabt hätte, nach den langen Arbeitstagen noch Blog-Artikel zu erfassen. Diejenigen, die darüber enttäuscht sind: entschuldigt!

Nun kann ich nicht garantieren, dass längere Schreibpausen auch in Zukunft nicht hin und wieder mal vorkommen, aber ich bin besten Willens, ab sofort wieder ein Bisschen mehr hier zu veröffentlichen. Da trifft es sich gut, dass ich derzeit Urlaub und damit auch etwas mehr Zeit habe. Und da die Welt da draußen aktuell sehr grau und unfreundlich ist, sind eine wohlig geheizte Wohnung, ein frischer Tee und ein voll aufgeladener Akku am Notebook doch hervorragende Voraussetzungen, um gleich heute ein Bisschen über die vergangenen Monate zu erzählen…